Digitaler Draht zwischen Rettungswagen und Klinikum
Blutdruck, Puls, EKG – solche Daten möchten Ärzte am Städtischen Klinikum Dessau von Notfallpatienten haben. Je früher, desto besser. Doch allzu häufig treffen solche Daten noch gemeinsam mit dem Notfallpatienten ein. Für Patienten mit Verdacht auf einen Herzinfarkt kann das einen lebensbedrohlichen Zeitverlust bedeuten. Nun ist dem Klinikum in Kooperation mit dem Rettungsdienst eine Optimierung der Datenübertragung des Rettungssystems gelungen – bislang einmalig in Dessau-Roßlau und der Region.
Durch neue Telemetrieoptionen ist es möglich, dass das im Rettungswagen erstellte Elektrokardiogramm (EKG) mittels Datenübertragung direkt nach Anfertigung an den diensthabenden Kardiologen übermittelt wird. Zusätzlich erfolgt ein direkter Kontakt über das „Herzinfarkthandy“ zwischen Notarzt und dem kardiologischen Dienstarzt. Dadurch kann, wenn notwendig, die Rufbereitschaft des Herzkatheterlabors deutlich früher aktiviert werden und man gewinnt wertvolle Zeit in der Behandlung des Patienten. Beim akuten Herzinfarkt gilt die Devise „Zeit ist Muskel“ – das heißt je schneller ein verschlossenes Herzkranzgefäß wiedereröffnet wird, desto mehr Herzmuskelgewebe kann vor dem Untergang (verursacht durch lokale Durchblutungsstörung) gerettet werden.
Der „heiße Draht ins Klinikum“
Die EKG-Daten werden über eine datensichere Leitung als PDF an eine speziell eingerichtete E-Mailadresse des Klinikums geschickt. Die EKGs können sowohl am PC als auch über das Smartphone des diensthabenden Kardiologen sofort betrachtet und befundet werden. Zusammen mit den telefonisch durch den Notarzt übermittelten Symptomen sowie Daten des Patienten kann eine korrekte Triage mit der Entscheidung zum direkten Transport ins Herzkatheterlabor oder in die Chest-Pain-Unit (Brustschmerzambulanz) zur weiteren Abklärung vor einer eventuellen invasiven Untersuchung getroffen werden.
Priv.-Doz. Dr. med. Georg Fürnau, Chefarzt der Klinik Innere Medizin II, freut sich, dass es für Dessau-Roßlau als ersten Standort in der Region gelungen ist, die technischen Möglichkeiten für das Herzinfarktnetzwerk zu etablieren und somit ein weiterer Schritt zur Verbesserung der Behandlung des Herzinfarktes gemacht werden konnte.
„Bei Herzinfarkten ist die Zeit bis zur Wiederöffnung eines verschlossenen Herzkranzgefäßes mit dem Herzkatheter essentiell, wir unterscheiden hier verschiedene Zeiten: die Zeit vom Schmerzbeginn bis der Patient professionelle Hilfe holt (Notruftelefon oder Aufsuchen einer Arztpraxis bzw. der Brustschmerzambulanz) sowie die Systemzeiten, die von der Alarmierung bzw. dem ersten medizinischen Kontakt bis zur Wiedereröffnung des Gefäßes gestoppt werden.“
Diese Zeiten („first medical contact to balloon“ – Zeit vom ersten Kontakt bis zur Behandlung bzw. „door-to-balloon“ – Zeit vom Eintreffen im Krankenhaus bis zur Wiedereröffnung des Gefäßes) sind ein wichtiges Maß für die Organisation und die Effizienz des Herzinfarktnetzwerkes, zu dem Rettungsdienst und Klinikum gehören.
„Wir sind für neue Strategien für eine differenziertere Notfallversorgung offen. Die sogenannte Telemedizin kann hierbei ein entscheidender Schritt in diese Richtung sein“ so der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes der Stadt Dessau-Roßlau Dr. med. Jörg Petersohn, der maßgeblich zur technischen Weiterentwicklung beigetragen hat.
Beide Mediziner sind sich einig, dass nur gemeinsam und mit zeitnaher Kommunikation Rettungsdienst und Klinikum die beste Behandlung für Herzinfarktpatienten gewährleisten können. Das Herzinfarkthandy mit der Telemetrieoption sei dafür ein wichtiger Baustein.