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Zum Tag der Seltenen Erkrankungen: Videokonferenz mit 60 Teilnehmern

Wer krank ist, geht zum Arzt und bekommt eine Diagnose samt Therapie. Doch bei manchen Erkrankungen ist das alles andere als einfach. Darauf macht der Tag der Seltenen Erkrankungen auch in diesem Jahr aufmerksam.

Achalasie, Fibromyalgie, Morbus-Osler, Neurofibromatose oder das Prader-Willi-Syndrom: Das sind Krankheiten, von denen die meisten Bundesbürger noch nie etwas gehört haben. Leider geht es Ärztinnen und Ärzten oft ähnlich.

Viele der rund vier Millionen Menschen, die in Deutschland an einer Seltenen Erkrankung leiden, bekommen fast nie eine korrekte Diagnose. "Es ist ein mühseliger und nervenaufreibender Marathon durch die ärztlichen Wartezimmer der Republik. Wenn eine Diagnose gestellt wird, hat es im Schnitt sieben Jahre gedauert“, so Annette Byhahn von der Neurofibromatose Regionalgruppe Sachsen-Anhalt und Mitinitiatorin des Tages der Seltenen Erkrankungen am Städtischen Klinikum Dessau.

Aus diesem Grund treffen sich seit nunmehr 12 Jahren Betroffene, Ärztinnen und Ärzte, Vertreter von Selbsthilfegruppen, der Krankenkassen und der Politik um „Brücken zu bauen“. Hierbei lernen Mediziner auch von den Patientinnen und Patienten, die sich aufgrund der Seltenheit ihrer Krankheiten häufig zum Experten in eigener Sache spezialisieren mussten. Annette Byhahn: „Immerhin klappt die Vermittlung an fachkompetente Stellen heute deutlich besser als noch vor zehn oder 12 Jahren“. Damals war es nicht unüblich, dass Betroffene auch für Simulanten gehalten worden, ergänzt die Wittenbergerin.

Durch den internationalen Tag der Seltenen Erkrankungen, die stete Arbeit der Selbsthilfegruppen sowie die zunehmende Partizipation von Medizinern, etwa von Univ.-Prof. Dr. med. Prof. honoraire Dr. h.c. Christos C. Zouboulis, Chefarzt der Hochschulklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Immunologisches Zentrum am Städtischen Klinikum Dessau, konnten die Seltenen Erkrankungen aus der gesellschaftlichen Isolation geholt und ans Licht der Öffentlichkeit gebracht werden.

In den vergangenen Jahren entwickelte sich der Tag der Seltenen Erkrankungen am Städtischen Klinikum Dessau aufgrund der hohen Anzahl von teilnehmenden Selbsthilfegruppen zur bundesweit größten Veranstaltung ihrer Art. Das Klinikum gehört mittlerweile zum Mitteldeutschen Kompetenznetz für Seltene Erkrankungen (MKSE) gemeinsam mit den Universitätsklinika Halle/Saale und Magdeburg.

Bedingt durch die anhaltende Corona-Pandemie fand auch der 12. Tag der Seltenen Erkrankungen in digitaler Form statt. Dr. med. Joachim Zagrodnick, Ärztlicher Direktor des Städtischen Klinikums Dessau, Prof. Christos C. Zouboulis sowie Annette Byhahn konnten neben Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, mehr als 60 Teilnehmer, darunter rund 40 Vertreter von Selbsthilfegruppen und Patientenvereinigungen, zugeschaltet aus der ganzen Republik sowie aus Österreich und der Schweiz, begrüßen. Zum ersten Mal nahmen auch Studierende der Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) an der Konferenz teil.

Dr. Haseloff würdigte in seiner Begrüßungsrede die jahrelange Arbeit der Selbsthilfegruppen sowie des MKSE, die trotz der schwierigen Lage während der Pandemie, den Kontakt nie haben abreißen lassen. Das „Netzwerken“ zwischen Betroffenen, Ärzten, der Politik sowie den Krankenkassen, sei ein elementarer Bestandteil um die Lage der Menschen mit Seltenen Erkrankungen zu verbessern. In Richtung Pharmaindustrie mahnte der Ministerpräsident an, nicht nur auf das Massengeschäft zu schauen.

Dies wurde auch von den Selbsthilfegruppen bestätigt. Denn aktuell sei es häufig noch immer so, dass ein Großteil der Seltenen Erkrankungen, die oftmals auch chronisch sind, nur mit einem Cocktail von Medikamenten aus dem sogenannten Massengeschäft behandelt werden können. Das Ergebnis sind nur geringe Erleichterungen mit zum Teil starken Nebenwirkungen.

Kernthema auch in diesem Jahr war einmal mehr das Problem „die richtigen Ärzte zu finden“. Trotz der spürbaren Verbesserungen in Sachsen-Anhalt, vor allem durch die Arbeit des MKSE, sei es in Deutschland noch immer extrem schwer spezialisierte Ärzte zu finden und bei diesen auch einen Termin für die Sprechstunde zu bekommen. Prof. Dr. med. Klaus Mohnike, Leiter des MKSE, sowie Prof. Zouboulis sprachen in diesem Zusammenhang die frühzeitige Gewinnung von spezialisierten Ärzten, vor allem unter den Medizinstudenten, an. So könne man sich zukünftig „Experten für unklare Fälle“ vorstellen.

Da häufig eine enorme Entfernung zwischen Patient und spezialisiertem Arzt bestehe, solle auch der Weg der Telemedizin beschritten werden. Dies sei zwar kein „Allheilmittel“, könne jedoch die bilaterale Kommunikation deutlich vereinfachen und im Sinne der Patienten auch beschleunigen. Denn gesundheitliche Probleme müssten zeitnah erörtert und gegebenenfalls behandelt werden und nicht erst bei einer Sprechstunde in einigen Monaten.

Um den Patienten mit Seltenen Erkrankungen bundesweit weiterhin helfen zu können, bedarf es von Seiten der Kassen einer ausreichenden Finanzierung der Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSE).  Dies sei, so Dr. med. Katharina Schubert, Lotsin des MKSE, leider nicht der Fall: „Die mehr als 30 Zentren für Seltene Erkrankungen sind für viele Patienten der einzige Ort, an dem sie kompetent unterstützt werden. Wir setzen uns für eine solide Finanzierung dieser Zentren durch die Krankenkassen ein“. Eine Online-Petition soll auf diesen Missstand aufmerksam machen.  

Zum Abschluss versicherte Dr. Haseloff den Teilnehmern der Konferenz, dass die besprochenen Themen weitergeführt und in die entsprechenden Abteilungen der Landesregierung sowie der Ministerien gelangen werden. Daran will er sich beim nächsten Tag der Seltenen Erkrankungen messen lassen.

Auch wenn der diesjährige Tag der Seltenen Erkrankungen durch den russischen Überfall auf die Ukraine gedämpft wird, schauen alle Teilnehmer positiv gestimmt in die Zukunft. Dr. Zagrodnick sprach eine Einladung zum kommenden Tag der Seltenen Erkrankungen im nächsten Jahr aus und machte den Teilnehmer Hoffnung auf eine Präsenzveranstaltung.

Randnotizen: Am 28. Februar, dem Tag der Seltenen Erkrankungen, werden weltweit Gebäude in den Farben des „Rare Disease Day“ angestrahlt. Auch in Dessau-Roßlau wird mit einer Lichtaktion auf die betroffenen aufmerksam gemacht. Am Montag wird das Anhaltische Theater in den Abendstunden in blau, einer der Farben des „Rare Disease Day“, erstrahlen.

Die Wanderausstellung „Selten allein _ Seltene Erkrankungen“, welche momentan in Magdeburg zu sehen ist, soll bis zum Sommer auch am Städtischen Klinikum Dessau gezeigt werden.

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