TSE: Letzte Videokonferenz mit 60 Teilnehmern
Der internationale Tag der Seltenen Erkrankungen fand am zurückliegenden Wochenende letztmalig in digitaler Form am Städtischen Klinikum Dessau statt. Dr. med. Joachim Zagrodnick, Ärztlicher Direktor des Klinikums, Prof. Christos C. Zouboulis, Chefarzt der Hochschulklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Immunologisches Zentrum, sowie Annette Byhahn, Leiterin der Neurofibromatose Regionalgruppe Sachsen-Anhalt, konnten neben Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, mehr als 60 Teilnehmer, darunter etwa 40 Vertreter von Selbsthilfegruppen und Patientenvereinigungen, sowie Studenten und Dozenten der Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) begrüßen.
Dr. Reiner Haseloff würdigte in seiner Begrüßungsrede die Arbeit der Selbsthilfegruppen, die trotz der schwierigen Lage während der Pandemie, den Kontakt nie haben abreißen lassen. Das „Netzwerken“ zwischen Betroffenen, Ärzten, der Politik sowie den Krankenkassen sei ein elementarer Bestandteil, um die Lage der Menschen mit Seltenen Erkrankungen zu verbessern. Trotz des Erreichten müsse vor allem im Bereich der Gewinnung von Ärzten für die Seltenen mehr getan werden, betonte der Ministerpräsident.
Mit dieser Anmerkung traf Dr. Haseloff auch das Kernthema der Konferenz. Doch wie können Ärzte für das weite Gebiet der Seltenen sensibilisiert und letztlich auch gewonnen werden?
Vor diesem Hintergrund wurde Anna Kristandt, angehende Ärztin der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Immunologisches Zentrum am Städtischen Klinikum Dessau sowie MHB-Studentin, mit „offenen Armen“ begrüßt. Sie sprach unter dem Titel „Wenn du Hufschläge hörst, denk an Zebra“ über die Serie „Dr. House“, ihren Weg zu den Seltenen und wie eine frühzeitige Gewinnung von spezialisierten Ärzten, vor allem unter Medizinstudenten, sich gestalten könnte. Als zukünftige Ärztin auf dem Gebiet der Seltenen, sie steht kurz vor ihrem 2. Staatsexamen, wünscht sie sich den Ausbau der telemedizinischen Betreuung und die Nutzung von künstlicher Intelligenz bei der Erstellung von Diagnosen mittels Algorithmen. Kristandt plädierte abschließend für mehr Empathie in der Arzt-Patienten-Beziehung: „Ärzte sollten ihre Unwissenheit hinsichtlich der Seltenen auch einmal eingestehen und die Patienten nicht als Simulanten und Hypochonder abqualifizieren.“ Ihr Vortrag erntete einhelliges Lob aus den Reihen der Selbsthilfegruppen.
Aus einem anderen Blickwinkel nahm sich Dr. med. Florian Hentschel, Oberarzt am Zentrum für Innere Medizin II am Klinikum Brandenburg und Dozent an der MHB, des Themas an. Dr. Hentschel zeigte, dass Brandenburg im Vergleich zu Sachsen-Anhalt bei den Seltenen noch ein „Entwicklungsland“ sei. Strukturen würden sich zwischen Oder und Havel erst allmählich entwickeln, wozu die MHB maßgeblich beitrage. Das Heranführen zukünftiger Mediziner an die Seltenen unterstütze er in seinem Fachbereich über konkrete Forschungen im gastroenterologischen Bereich. Hierzu sei, so betonte er, die Kooperation seines Klinikums sowie des Städtischen Klinikums Dessau mit der MHB ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Beitrag in der Lehre der angehenden Mediziner. Die Initialisierung von Hochschulambulanzen, in denen die Lehre auf komplexe und schwierige Erkrankungen trifft, sei ein zusätzlicher praktischer Schritt auf dem Weg zur Gewinnung von ärztlichem Nachwuchs für die Seltenen.
Einen Blick über den Tellerrand von Sachsen-Anhalt gewährte der CSU-Bundestagsabgeordnete Erich Irltsdorf. Das Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag erklärte, dass in Bayern in diesem Jahr 60 Veranstaltungen zu den Seltenen Erkrankungen geplant seien. Jeder Termin würde in Kooperationen mit einer Selbsthilfegruppe durchgeführt. Die Ergebnisse sollen in einem Weißbuch gesammelt und veröffentlicht werden. Ziel sei es unter anderem die Themen „Versorgungsverbesserung“ und „open drug“ breiter zu streuen.
Dr. med. Holger Grüning, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt, ging am Ende der Konferenz noch auf die elektronische Patientenakte ein. Ziel der Digitalisierung sei, dass die Arbeit der behandelnden Ärzte erleichtert und dadurch die Versorgung der Patienten verbessert werde. Ein erster kleiner Schritt sei die Einführung der eAU, der elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Anfang des Jahres gewesen. Das parallel dazu geplante E-Rezept war leider im Stadium des Pilotprojektes gescheitet, so Dr. Grüning. Ob nochmals ein neuer Anlauf zur Digitalisierung bei diesem täglich tausendfach ausgedruckten und vom Arzt unterschriebenen Stück Papier unternommen werde, sei noch offen. Der digitale Krankenhaus-Entlassbrief stehe nun auf der Agenda, so Dr. Grüning. Trotz einzelner Rückschläge sieht er die anstehende Digitalisierung besonders im Bereich der Seltenen als einen enormen Fortschritt. Ganze Krankenhistorien könnten in digitaler Form angelegt werden. Die ausgedruckten und meist abgehefteten Unterlagen bräuchten die Patienten dann nicht mehr zu den Terminen mitnehmen. Die Ärzte müssten sich dann auch nicht mehr durch Stapel von Papier arbeiten. Dies sei eine enorme Zeitersparnis, die der Betreuung der Patienten zu Gute käme.
Die für viele Teilnehmer wichtigste Nachricht verkündete Dr. Zagrodnick bereits zu Beginn der Videokonferenz. Er lud alle Teilnehmer für den 3. Juni 2023 zur ersten nachpandemischen Präsenzveranstaltung der Seltenen Erkrankungen in das Städtische Klinikum Dessau ein.