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Wege zurück nach einem Schlaganfall

Ein Schlaganfall kommt ohne Vorwarnung. Ein Moment, ein kleiner Gefäßverschluss oder eine Blutung im Gehirn – und plötzlich ist nichts mehr wie vorher. Sprache, Bewegung, Denken, Erinnerung – Dinge, die eben noch selbstverständlich waren, scheinen verloren.

„Ein Schlaganfall ist wie ein Blitz aus heiterem Himmel“, sagt Dr. med. Thomas Stache, Oberarzt der Klinik für Neurologie am Städtischen Klinikum Dessau und Leiter der Stroke Unit. „Innerhalb weniger Minuten kann sich das ganze Leben verändern – für die Betroffenen ebenso wie für ihre Familien.“

Für viele beginnt damit eine Zeit zwischen Hoffnung, Angst und Ungewissheit. Was kommt jetzt? Was ist möglich? Kann ich oder mein Angehöriger wieder selbstständig werden? – Fragen, die uns in der Neurologie jeden Tag begegnen.

Nach der Akutbehandlung auf der Stroke Unit – also nach der ersten Stabilisierung und lebensrettenden Therapie – folgt ein ganz entscheidender Schritt: die neurologische Frührehabilitation, auch Phase B genannt. Sie ist der Punkt, an dem der Weg zurück ins Leben beginnt.

Der Wendepunkt: Wenn Heilung wieder möglich wird

In der Frührehabilitation treffen Akutmedizin und Rehabilitation aufeinander. Die Patienten sind oft noch schwer betroffen – manche können weder sprechen noch sich bewegen, manche reagieren kaum auf ihre Umgebung. Und doch beginnt hier, parallel zur weiterlaufenden Diagnostik, die Chance auf Veränderung – direkt in der Akutklinik.

„Je früher wir mit der Rehabilitation beginnen, desto größer ist die Aussicht, dass das Gehirn neue Wege findet“, erklärt Dr. Stache. „Das Gehirn ist erstaunlich lernfähig – es kann Umwege gehen, neue Verbindungen schaffen. Wir versuchen, dieses Zeitfenster zu nutzen.“

Diese Phase ist intensiv. Sie erfordert Geduld, medizinisches Können – und viel menschliche Zuwendung.

Schritt für Schritt zurück ins Leben

Die neurologische Frührehabilitation ist Teamarbeit. Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Neuropsychologen und Sozialarbeiter arbeiten eng zusammen – jeden Tag, oft viele Stunden.

Das Ziel ist klar: Selbstständigkeit wiedererlangen, so weit es möglich ist.

Was das im Alltag bedeutet:

  • Bewegung wiederfinden: Physiotherapie aktiviert Muskeln, fördert Gleichgewicht und Koordination. Schon das erste Sitzen am Bettrand kann ein großer Erfolg sein.
  • Alltag trainieren: Ergotherapie hilft, Hände und Arme wieder gezielt einzusetzen – für einfache Dinge wie Zähneputzen oder Anziehen.
  • Sprechen und Schlucken üben: In der Logopädie lernen Betroffene, ihre Stimme, Sprache oder das sichere Schlucken neu zu trainieren.
  • Gedächtnis und Orientierung stärken: Neuropsychologische Übungen helfen, Konzentration, Denken und Wahrnehmung zu verbessern.
  • Pflege und medizinische Begleitung: Vitalzeichen, Ernährung, Schmerztherapie – all das läuft Hand in Hand mit der Therapie.

„Die Frührehabilitation ist kein Programm mit festen Stunden“, sagt Dr. Stache. „Es ist ein täglicher Prozess.“

Hoffnung, Geduld und Menschlichkeit

Die neurologische Frührehabilitation ist nicht nur Medizin – sie ist Begegnung. Sie erfordert Kraft und Vertrauen, von Patienten, Angehörigen und dem gesamten Team.

„Wir erleben jeden Tag, dass sich Hoffnung lohnt“, so Dr. Stache. „Manche Patienten, die anfangs kaum reagiert haben, beginnen plötzlich, auf Ansprache zu lächeln, ihre Hand zu heben oder erste Worte zu sprechen. Solche Momente sind bewegend – sie zeigen, dass Heilung möglich ist.“

Nicht jeder wird wieder ganz gesund. Aber viele gewinnen ein großes Stück Lebensqualität und Selbstständigkeit zurück. Und fast immer entsteht neue Stärke – bei den Betroffenen wie bei ihren Familien.

Ein neuer Anfang

Am Ende der Frührehabilitation steht häufig der Übergang in die weiterführende Rehabilitation – die sogenannte Phase C oder D. Dann können viele Betroffene wieder aktiv am Training teilnehmen, kleine Alltagsaufgaben übernehmen, die nächsten Schritte planen.

Die Phase B ist dabei der Grundstein: Sie schafft die Voraussetzungen für alles, was danach kommt – medizinisch, körperlich und seelisch.

„Unser Ziel ist es, Menschen zurück ins Leben zu begleiten“, sagt Dr. Stache. „Nicht immer so, wie es einmal war – aber so, dass ein neues Gleichgewicht entsteht. Und das ist oft mehr, als man am Anfang zu hoffen wagt.“

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