Spiel-, Wohn- und Esszimmer in einem
Die meist genutzte App in der Turnhalle der Berufsschule ist der Google-Übersetzer. 159 Flüchtlinge aus der Ukraine haben hier ihre erste Unterkunft nach der Flucht gefunden. Die geräumige Turnhalle ist für die Bewohner auf Zeit Spiel-, Wohn- und Esszimmer in einem. Um die Verpflegung kümmert sich die Küche des Klinikums seit Anfang März, seit zwei Wochen stellt sie auch das Personal für die Ausgaben. Drei Klinikums-Mitarbeiter sorgen im Zweischichtsystem dafür, dass täglich drei Mahlzeiten auf den Tisch kommen. Mittags gibt es warme Gerichte, Frühstück und Abendbrot wird als Buffet gereicht.
Die Frühschicht beginnen Julia Schneider, Susan Hagen und Daniela Adamek bereits um 5:30 Uhr. Dann bleiben zwei Stunden, um die frischen Brötchen zu teilen sowie die Wurst- und Käseplatten zu belegen. Susan Hagen arbeitet gern in der Flüchtlingsunterkunft: „Die Leute sind dankbar. Trotz der Mengen von Menschen verläuft alles sehr ruhig. Ein paar Worte Ukrainisch haben wir auch schon gelernt.“ Die kleinen Gäste haben als erstes das deutsche Wort „Kinder“ aufgeschnappt – wenn auch mit falschem Inhalt. Für sie bedeutet es so etwas wie „naschen“ und ist dem Wort „Kinderschokolade“ entlehnt. Die kommt offenbar besonders gut an, da können die Köche geben, was sie wollen.
Täglich geht einmal die Bestellung für den nächsten Tag raus. In der ersten Woche hat die Klinik-Küche fast eine Tonne Lebensmittel geliefert und verarbeitet. Derzeit ist der Verbrauch etwas gesunken, es gibt rund 60 freie Betten in der Turnhalle – also gut einen Bus voll. Wann und ob ein neuer Bus aus Polen kommt, erfahren die Planer in der Rettungsstelle der Feuerwehr meist sehr kurzfristig – teilweise nur mit einem Vorlauf von 60 Minuten. Kommen zwei Busse gleichzeitig, muss auf die Turnhalle in Kochstedt mit weiteren 100 Not-Betten ausgewichen werden.
Eiko Adamek hat für diesen Fall bereits zwei Mitarbeiter in Bereitschaft versetzt. Denn auch dort würde sich das Klinikum um das Catering kümmern. „Es bleibt nicht aus“, so der Küchenchef des Klinikums, „dass wir auch mit schweren Schicksalen konfrontiert werden. Zum Beispiel Menschen, die im Krieg Angehörige verloren haben.“ Letztens sei ein Kleinwagen mit vier Personen in der Dessauer Turnhalle gestrandet, nach viertägiger Fahrt, bei der Ankunft waren alle mit Corona infiziert. Was für ein Höllenritt – und doch kein Vergleich zu dem, was auf sie zugekommen wäre, wenn sie in der Heimat geblieben wären. Oder wie es ein älterer Ukrainer formulierte: „Lieber zehn Tage in einer Turnhalle als eine Nacht unter Bomben schlafen.“