Zum Hauptinhalt springen

Onkologischer Patiententag „andersrum“ - Patienten geben Einblicke

Knapp 60 Interessierte füllten die Cafeteria des Klinikums Dessau, als dort zum ersten Mal der Onkologische Patiententag „andersrum“ stattfand. Ein ungewöhnliches Format, das die Perspektive wechselte: Nicht Ärzte berichteten über Therapien und Behandlungserfolge, sondern Patienten erzählten ihre ganz persönlichen Erfahrungen.

Die Idee brachte Simone Pareigis von der Selbsthilfegruppe für Leukämie- und Lymphompatienten aus Halle nach Dessau-Roßlau – und stieß damit auf offene Ohren. Das Team um Prof. Dr. med. Gerhard Behre, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I und Leiter des Onkologischen Zentrums, setzte das Projekt gemeinsam mit ihr um.

Bereits der Auftakt zeigte: Dieses Format trifft einen Nerv. Nach einer kurzen Begrüßung durch den Ärztlichen Direktor, Prof. Dr. med. Christoph U. Herborn, betonte Prof. Behre die Bedeutung dieses neuen Weges: „Wir sprechen heute weniger über Medizin – sondern hören zu. Und zwar denen, um die es wirklich geht.“

Geschichten voller Ehrlichkeit und Hoffnung

Den Anfang machte Simone Pareigis selbst. Seit 2003 kämpft sie gegen den Krebs – und hat aus ihren Erfahrungen fünf Botschaften destilliert:

  • Gehen Sie in zertifizierte onkologische Zentren.
  • Kleine Krankheiten, kleines Krankenhaus; große Krankheiten, großes Krankenhaus
  • Führen Sie ein Tagebuch während der Therapie.
  • Beim Krebs gehört auch Glück dazu.
  • Es gibt ein Leben nach der Therapie.

„Bitte seien Sie ehrlich“ – Ulf Steiners Appell

Besonders eindrücklich schilderte Ulf Steiner, ehemals Patient mit Lymphdrüsenkrebs, seinen Weg durch Diagnostik und Therapie. Er erzählte von zahlreichen Biopsien, CT- und PET-CT-Untersuchungen, Operationen und unzähligen Gesprächen. Als Notfallsanitäter bringt er medizinische Vorbildung mit – und doch wurde ihm bewusst, wie verletzlich man als Patient ist.

Sein Dank galt zuerst den Ärzten und Pflegekräften des Onkologischen Zentrums, die sein Leben retteten. Doch ebenso wichtig war ihm, Kritik und Wünsche offen anzusprechen:

  • Ehrlichkeit: „Sagen Sie den Patienten die Wahrheit – auch wenn es weh tut.“ So sei es falsch, eine Knochenmarkpunktion als „nicht schlimm“ herunterzuspielen. „Wenn der Patient merkt, dass es doch schmerzhaft ist, glaubt er Ihnen kein zweites Mal. Das Vertrauen ist dann weg.“ Ehrlichkeit über Schmerzen, Risiken und Nachwirkungen sei die Basis jeder guten Behandlung.
  • Verständlichkeit: Die Wenigsten sprechen Latein. „Es bringt nichts, wenn der Patient ein Formular unterschreibt, ohne auch nur im Ansatz verstanden zu haben, was darin steht.“ Ärzte sollten sich bewusst sein, dass nicht alle Betroffenen denselben Wissenshorizont haben.
  • Klarheit: Steiner schilderte, wie widersprüchlich Informationen sein können – etwa zur Dauer, die ein Port im Körper verbleiben soll. „Das verunsichert Patienten enorm. Stringenz in den Aussagen gibt Sicherheit.“
  • Angehörige einbinden: „Nach einem Arztgespräch kann ich als Patient oft die Hälfte nicht wiedergeben. Wenn Angehörige dabei sind, ist vieles leichter.“

Seine Botschaft an das Team war klar: „Patienten brauchen Wahrheit, Klarheit und Nachvollziehbarkeit. Nur so können sie ihre Krankheit annehmen und mittragen.“

Weitere Stimmen

Auch Uwe Albrecht, ehemals an Leukämie erkrankt, sprach offen über seinen Weg. „Mit der Diagnose war für mich erstmal alles erledigt“, erinnerte er sich. Als selbstständiger Fliesenleger war die Kontrolle über das eigene Leben von einem Moment auf den anderen weg. Doch dank schneller Typisierung im Klinikum und einer passenden Knochenmarkspende kann er seit Mitte 2024 sogar ganz ohne Medikamente leben. Seine Bitte an die Ärzte: Geduld in Aufklärungsgesprächen, denn viele Patienten sind in einer psychischen Ausnahmesituation und nehmen Inhalte kaum auf.

Ein voller Erfolg – und ein Anfang

Zwischen Dankbarkeit und Kritik, Mutmachendem und Mahnendem entstand in der Cafeteria ein Dialog. Ärzte und Pflegekräfte hörten zu, Patienten sprachen aus, was sie bewegt – ohne Filter, ohne Fachsprache.

Im Anschluss bot ein lockeres Stelldichein Gelegenheit für Fragen, Austausch und Begegnung. Schnell war klar: Der Patiententag „andersrum“ war mehr als nur eine Premiere – er war ein starkes Signal für Offenheit, Verständnis und gemeinsames Lernen. „Wir nehmen viel mit aus diesem Tag“, fasste Prof. Behre zusammen. „Und wir werden weitermachen.“

Der Startschuss ist gelungen – und hat gezeigt, wie wertvoll die Sicht der Patienten für die onkologische Versorgung am Klinikum Dessau ist.

Zurück