Neue Wege in der Anästhesie: Schmerz und Angst ausblenden
Eine Operation, ob nun mit Voll- oder Teilnarkose oder ein Aufenthalt auf der Intensivstation, ist für die meisten Patienten unweigerlich mit Ängsten und Stress verbunden. Um die Anspannung vor und während eines Eingriffs zu senken, läuft in der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und perioperative Schmerztherapie seit Kurzem eine Testphase mit einer speziellen Videobrille – auch VR-Brille (Virtuelle Realität) genannt. Patienten tauchen vollständig in eine computergenerierte, mit Melodien und Geräuschen untermalte, Umwelt ein. Ursprünglich kommt diese Technik aus der Computerspiel-Industrie. Mittlerweile haben die VR-Brillen in immer mehr Wirtschaftsbereichen Einzug gehalten. So werden bereits im Sport, Tourismus, Einzelhandel oder im industriellen Umfeld VR-Simulationen verwendet.
Im medizinischen Bereich können Patienten mit der VR-Brille bei Eingriffen in Teilnarkose oder während der OP-Vorbereitung entspannen und sich von unterschiedlich langen animierten Filmen mit beruhigenden Klängen ablenken lassen. „Sie hätten somit die Wahl: sich neben der Regionalanästhesie mit einem Medikament sedieren zu lassen. Oder die audiovisuelle Entkopplung mit Hilfe der Brille und Kopfhörer zu nutzen. Der Patient ist während der OP entspannter und es kann ganz oder teilweise auf die Gabe sedierender Medikamente verzichtet werden“, so Dr. med. Sebastian Brandt, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und perioperative Schmerztherapie.
Verschiedene Module ermöglichen es, das „Programm“ der VR-Brille auf den jeweiligen Patienten abzustimmen. Neben dem Alter und der Indikation können noch differenzierte Anwendungsbereich (u.a. Ablenkungs- und Lernmodule, Atemtechniken) ausgesucht werden.
Etwa 12.000 Narkoseleistungen werden in der Klinik Chefarzt Brandt pro Jahr durchgeführt. „Nicht für alle Eingriffe ist eine Regionalanästhesie möglich. Wenn man aber bei einem Teil der Operationen durch den Einsatz der VR-Brille fast vollständig auf den Gebrauch von Beruhigungsmitteln verzichten kann, werden deren Nebenwirkungen reduziert und der Patient kann schneller aus dem Aufwachraum entlassen werden“, so der Chefarzt.
Doch nicht nur im operativen Bereich sieht der Chefarzt Einsatzmöglichkeiten. Von besonderem Interesse ist auch der therapeutische Ansatz im Rahmen von Interventionen. So bei Patienten mit traumatischen Erlebnissen – etwa nach Unfällen. Weiterhin ist es ein interessanter Ansatz, Patienten auf der Intensivstation, die an einer vorübergehenden Bewusstseinsstörung, dem sogenannten Delir oder Durchgangssyndrom mittels der Brille Hilfe bei der Reorientierung zu geben.
Die Klinik hat die Brille einige Wochen zum Testen vor Ort. Sollten die Rückmeldungen der Patienten positiv ausfallen, wäre eine Anschaffung durchaus möglich.