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Erstes Treffen der Seltenen Erkrankungen nach Corona

Das erste Präsenztreffen der Seltenen Erkrankungen seit Februar 2020 fand am Samstag, den 3. Juni, am Städtischen Klinikum Dessau statt. Die Teilnehmer der 24 Selbsthilfegruppen waren sichtlich froh, sich endlich wieder persönlich treffen zu können. „In den drei Jahren der Pandemie sind einige Dinge in der Betreuung von Patienten mit Seltenen Erkrankungen in Deutschland auf der Strecke geblieben. Dies müssen wir nun wieder zum Leben erwecken“, so Annette Byhahn, Neurofibromatose-Regionalgruppe Sachsen-Anhalt. Als Koordinatorin und gute Seele der Treffen wird sie oft von Patienten mit ihren Sorgen und Problemen kontaktiert.

Doch nun stand im Foyer des Klinikums wieder ein Tisch neben dem anderen, wurden Plakate aufgehängt und Prospekte mit Kürzeln wie DGM, HSP oder GBS ausgelegt. Frohe und offene Gesichter allenthalben. Auch wenn noch nicht die Teilnehmerzahl aus vorpandemischer Zeit erreicht wurde, gilt die Veranstaltung nach wie vor als das größte Selbsthilfetreffen dieser Art im gesamten Bundesgebiet.

Univ.-Prof. Dr. med. Christos C. Zouboulis, Chefarzt der Hochschulklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Immunologisches Zentrum, einer der Koordinatoren der Veranstaltung und Koryphäe bei der Behandlung Seltener Hautkrankheiten blickte in seiner Rede auf das bislang Erreichte zurück: "Sachsen Anhalt hat trotz der Pandemie die größte Dichte an Experten bei Seltenen Erkrankungen in Deutschland. Das liegt an den Ärzten, der Politik aber nicht zuletzt auch am Tag der Seltenen Erkrankungen und dem Engagement der Selbsthilfegruppen."  Diese Erfolge sollten bewahrt und wenn möglich ausgebaut werden. Dies setze aber eine Zusammenarbeit zwischen Medizin, Politik, den Krankenkassen und den Selbsthilfegruppen voraus. Gemeinsame Ziele zu definieren und sich auf Kompromisse einzulassen, sei das Gebot der Zeit.

Ein zentrales Thema war auch bei diesem Treffen die Gewinnung von Ärzten und deren  Sensibilisierung für die Seltenen Erkrankungen. Denn ohne ärztlichen Nachwuchs steht das bislang erreichte Niveau in Sachsen-Anhalt auf dem Spiel, so die einhellige Meinung.

Vor diesem Hintergrund wurde Anna Kristandt, angehende Ärztin der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Immunologisches Zentrum am Städtischen Klinikum Dessau sowie MHB-Studentin, mit „offenen Armen“ begrüßt. Sie sprach in ihrem viel beachteten Vortrag unter dem Titel „Wenn du Hufschläge hörst, denk an Zebra“ über die Serie „Dr. House“, ihren Weg zu den Seltenen und wie eine frühzeitige Gewinnung von spezialisierten Ärzten, vor allem unter Medizinstudenten, sich gestalten könnte.

Als zukünftige Ärztin auf dem Gebiet der Seltenen Erkrankungen, Kristandt steht  kurz vor ihrem 2. Staatsexamen,  wünscht sie sich den Ausbau der telemedizinischen Betreuung und die Nutzung von künstlicher Intelligenz bei der Erstellung von Diagnosen mittels Algorithmen. Kristandt plädierte abschließend für mehr Empathie in der Arzt-Patienten-Beziehung: „Ärzte sollten ihre Unwissenheit hinsichtlich der Seltenen Erkrankungen auch einmal eingestehen und die Patienten nicht als Simulanten und Hypochonder abqualifizieren.“  Ihr Vortrag erntete einhelliges Lob aus den Reihen der Zuhörerschaft.

Gern gesehener Gast bei den bisherigen Treffen der Seltenen Erkrankungen war stets der Schirmherr und Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff. In diesem Jahr ließ er sich durch Wolfgang Beck, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, vertreten. Er überbrachte die Grüße des Ministerpräsidenten und nahm sich anschließend  viel Zeit beim Rundgang an die Stände der Selbsthilfegruppen, um aus erster Hand zu hören, wo der Schuh drückt.

Mehr als 5.000 der rund 30.000 bekannten Krankheiten gelten als selten. Mehrheitlich haben seltene Erkrankungen genetische Ursachen, andere sind immunologisch bedingt, viele sind lebensbedrohlich und die meisten verlaufen chronisch. Auch manifestieren sich einige Seltene Erkrankungen bereits im Kindesalter, während andere erst bei Erwachsenen auftreten. Rund vier Millionen Menschen in Deutschland sind betroffen, in Sachsen-Anzahl sind es viele Tausende. Ralf Riemeyer, von der HSP-Selbsthilfe Mitteldeutschland, brachte es beim Treffen auf den Punkt: „Mit meiner Krankheit bin ich der Kolibri in der Arktis, hatte mir mal ein Arzt gesagt“.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Zugang zu Gesundheitsleistungen für diese spezielle Patientengruppe oft beschwerlich ist. Denn häufig ist das medizinische Wissen aufgrund der fehlenden Erforschung gering und dementsprechend gibt es kaum erprobte Therapien. Umso wertvoller sind die entstandenen Expertenzentren und Netzwerkstrukturen für seltene Krankheiten auf nationaler und europäischer Ebene. Informationen können so an Kliniken und Arztpraxen für die Weiterbehandlung übermittelt werden und stehen zudem in Datenbanken zur Auswertung im Sinne der Krankheitserforschung bereit. Den größten Anteil am Erfolg all dieser Projekte haben die Erkrankten selbst im Verbund der zahlreichen Selbsthilfegruppen.

Für Anfang November planen die Selbsthilfegruppen den alljährlichen „Runden Tisch“. Zum Tag der Seltenen Erkrankungen im Jahr 2024 werde man sich wohl Anfang März wieder am Städtischen Klinikum Dessau treffen.

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