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Besuch vom amerikanischen Partnerkrankenhaus

Für Amerikaner gehört es dazu, nach allem, was man so weiß, einmal im Leben Europa zu bereisen, dabei natürlich Deutschland nicht zu vergessen, denn der Sprung über den großen Teich soll sich ja lohnen. Brandy Grant, Valerie Adams, Jennifer Sheinberg und Alyssa Livengood haben diesen Schritt gewagt und landeten am Samstag bereits in Berlin, stiegen nach ihrem Sightseeing am Montag in den Zug und trafen so in Dessau-Roßlau ein. Ab diesem Zeitpunkt waren sie bereit und voller Erwartungen für ein Besuchsprogramm, das bis zum Mittwochabend mit Dutzenden Terminen reichlich gefüllt war. Doch auch, wenn sich darunter Besuche im Bauhaus Museum oder im fast gleichlautenden „Brauhaus“ fanden, so ähnelte der sonstige Tagesablauf keinem Standard-Besuchsprogramm, sondern war durch ganz spezielle Interessen geprägt.

Die vier jungen Frauen waren Gäste des Städtischen Klinikums und sind selbst ebenfalls in einer Klinik beruflich tätig: dem Lancaster General Hospital (LGH) in Pennsylvania / USA. Es ist das Partnerkrankenhaus innerhalb des europaweiten Projektes Magnet4Europe. Im September war eine Delegation des Klinikums dort zu Besuch, um ebenfalls den fachlichen Austausch zu suchen und aus dortigen Erfahrungen zu schöpfen. Bei dem Projekt Magnet4Europe handelt es sich um eine internationale Studie, die es zum Ziel hat, die berufliche Situation in der Pflege zu verbessern. An dem noch bis 2023 laufenden internationalen Projekt nehmen mehr als 60 Krankenhäuser aus Europa teil, darunter auch das Städtische Klinikum – neben dem Klinikum Bergmannstrost Halle als einziges Krankenhaus in den Neuen Bundesländern. Im Zentrum des Konzeptes stehen die Verbesserung des Arbeitsumfeldes der Pflege und die Erhöhung ihrer Wertschätzung. Als beispielgebend können Kliniken in den USA gelten, die schon länger nach diesem Konzept arbeiten und dabei wissenschaftlich nachprüfbar erfolgreich sind.

„Sie sind ja sozusagen ‚Magnet-Veteranen‘“, wandte sich Pflegedienstleiter Dipl.-Pflegewirt Daniel Behrendt bei der Begrüßung durch die Betriebsleitung scherzhaft an die vier jungen Frauen, die dies mit einem Lachen quittierten. Tatsächlich ist das LGH bereits seit 2002 zertifiziert und mit entsprechend reichem Erfahrungsschatz ausgerüstet. Wie Behrendt hervorhob, solle im Zuge vieler Besuche auf Stationen und in weiteren Bereichen des Klinikums der Blick unverstellt auf hiesige Abläufe und Praxisanwendungen geworfen werden, um Positives wie Fragwürdiges gleichermaßen ausfindig zu machen. Dies fand auch die Unterstützung von Dr. Joachim Zagrodnick und Dr. André Dyrna, die beim Empfang der kleinen Delegation die Gäste ermunterten, auf jeden Fall viel zu fragen. „Wir möchten so auch etwas zurückgeben“, wurde auf den Besuch im September in Pennsylvania Bezug genommen.

Was die vier Gäste gern taten auf ihrer zweitägigen „Rundreise“ durch das Städtische Klinikum, wo sie von den Schwestern, Pflegern, Ärzten und vielen weiteren Kolleginnen und Kollegen herzlich empfangen wurden. Dabei stellte sich u. a. heraus, dass die Spezialisierung auf Teilabläufe in den USA wesentlich höher ausgeprägt ist als hier in Deutschland, wo die Aufgaben der Einzelnen dafür vielfältiger sind. Dass die Pflegeschule staatlich anerkannt ist und kein Privatinstitut, wurde aus amerikanischer Sicht begrüßt. „Für uns ist die Schule auch eine wichtige Chance, Nachwuchs beim Personal zu gewinnen“, wurde schon während der Begrüßung von der Betriebsleitung hervorgehoben.

Begleitet und organisiert durch die Kolleginnen der Pflegedienstleitung fand die kleine Abordnung des Partnerkrankenhauses ihren Weg durch viele Stationen im Hause, darunter die Intensivstation, Notaufnahme, Herzkatheterlabor und Alterstraumazentrum. Dort vor Ort stellte sich während des Gesprächs mit den Mitarbeiterinnen heraus, dass Lancaster und Dessau-Roßlau wegen des hohen Altersdurchschnitts in der Bevölkerung über eine Gemeinsamkeit verfügen, die aus amerikanischer Sicht gar nicht so vordergründig als Nachteil empfunden werde. Ein unerwarteter Perspektivwechsel, da der Ruf Dessau-Roßlaus als zweitälteste Stadt Deutschlands in den Medien ausschließlich negativ besetzt ist.

Einen lebendigen Austausch mit Auszubildenden konnten die vier Gäste am Mittwoch beim Besuch der Pflegeschule im Berufsschulzentrum „Hugo Junkers“ miterleben. Außerdem standen das Onkologische Zentrum, die interdisziplinäre Hotelstation und die Kinderstation mit „Mutter-Kind-Bereich“ ebenfalls an.

Beindruckt zeigten sich alle vier zum Abschlussgespräch im Konferenzraum der Betriebsleitung am Mittwochabend, auch wenn die vielen Eindrücke da sicher noch nicht nach wissenschaftlichen Kriterien aufbereitet waren. Die fachlichen Fähigkeiten und das umfangreiche Wissen der Pflegekräfte fielen auf, man sei hier „breiter aufgestellt“, was die Berufsausübung betreffe. Dies äußere sich im Stolz auf die geleistete Arbeit, die oft auch in direkter Kooperation mit der Ärzteschaft erfolge. Das wurde von den amerikanischen Gästen als bereichernd empfunden.

Nach ihrer Rückkehr nach Pennsylvania an das LGH stehen hier wie dort die Auswertung des Besuches an, begonnene Projekte werden fortgeführt und die Zukunft des Städtischen Klinikums muss vor dem Hintergrund einer möglichen Zertifizierung langfristig auf die Erfolgsaussichten überprüft werden. In einer Hinsicht waren sich alle am Mittwoch zur Verabschiedung einig: Verbesserte Abläufe und eine erhöhte Mitarbeitermotivation sind Effekte, die langfristig mit einem höheren Wert angesetzt werden können als die ebenfalls mit zu betrachtende finanzielle Seite im Zertifizierungs-Prozess. Auf die Frage des anwesenden Pressevertreters, ob sich die Zertifizierung auch vor diesem Hintergrund denn gelohnt habe, kam ein einhelliges und unverzögertes „Ja“.

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